Madame Tussaud – die ersten Jahre – Leseprobe

Leseprobe aus Madame Tussaud – die ersten Jahre

Kapitel: PARIS IN SCHRECKEN

Und am Tage darauf trat die achtunddreißigjährige Königin, als einfache Bürgerin in weißer Trauerkleidung und für das französische Volk überraschend gefasst und stolz, ihren letzten Gang an.

„Ich werde es tun!“, sagte Marie mit Bestimmtheit, als Dr. Curtius ihr mitfühlend die Hand auf die Schulter legte. „Das bin ich ihr schuldig!“

„Bist Du Dir ganz sicher? Ich fürchte das wird Deine Kräfte übersteigen….immerhin hast Du sie sehr gut gekannt und gemocht.“

„Eben deshalb!“, antwortete sie, die aufsteigenden Tränen ihres unsäglichen Zorns zurückdrängend. „Niemand anderer soll sie derart entwürdigt und verunstaltet sehen. Dies ist der letzte Dienst den ich ihr erweisen kann!“

Entschlossen befahl sie Léon den Wagen vorzufahren, warf sich einen warmen Mantel über und bestieg mit einer Laterne und einem groben Leinensack ausgerüstet, das Fuhrwerk.

Sie hatten noch nicht den Friedhof Madeleine erreicht, als eine alles verschlingende Dunkelheit ihre Umgebung in ein schwarzes Nichts verwandelte.

Vor ihrem eigenen Mut zurückschreckend, blieb sie einen Augenblick neben dem Wagen stehen.

„Soll ich Sie begleiten?“

„Nein danke!“ Die Stimme des Dieners brachte sie wieder in die Gegenwart zurück und Marie raffte ihren Rock, um die Stufen des Friedhofes hinaufzusteigen.

Die Eiseskälte, die sie spürte, rührte nicht von dem nieseligen Oktoberabend, sondern kroch von ihrer Körpermitte aus kontinuierlich in all ihre Extremitäten. Ein nicht zu bändigendes Zittern, ließ die Laterne in ihrer Hand unheimlich hin-und her schaukeln und tauchte die Ruhestätte in bizarre Momentaufnahmen.

Marie hielt inne, um sich zu orientieren und Luft zu schöpfen, als ihr ein furchtbarer Gestank bestialisch entgegenschlug. Hastig griff sie nach ihrem Brusttuch und hielt es sich vor ihre Nase, während sie mit der anderen Hand wieder ihre Laterne aufhob und sich vorsichtig der Quelle des unbeschreiblichen Gestanks näherte.

Als sie bei der offenen Grube angekommen war und das Licht die grausige Szenerie gespenstisch beleuchtete, revoltierte ihr Magen auf das Gewaltigste und sie musste sich rasch abwenden, um sich nicht über den unzähligen nackten Leichen zu ergeben.

Marie klammerte sich an einen verwitterten Grabstein zu ihrer Rechten.

Ihre Galle schien mit den restlichen Eingeweiden ihren schlaffen Körper verlassen zu haben. Kalter Schweiß hatte sich auf ihrer Stirn gebildet und der bittere Geschmack in ihrem Mund veranlasste sie heftig auszuspucken, bis sie das Gefühl hatte, bar jeglicher Körpersäfte zu sein.

Zitternd erhob sie sich.

Ekel und Furcht überwindend, wischte sie sich ihren Mund ab, ergriff erneut die Laterne und machte sich unter Aufbietung aller Kraft auf die Suche nach dem, weshalb sie gekommen war.

„Bist Du von Sinnen?“, von blankem Entsetzen erfüllt schrie François sie an. Vergeblich versuchte er seinen Blick von dem makabren Objekt abzuwenden.

„Wenn das rauskommt, wanderst Du auf der Stelle in den Kerker. Wie abscheulich!“Angeekelt wandte er sich von dem Arbeitstisch ab, auf dem der abgetrennte Kopf Marie-Antoinettes lag, und von Marie behutsam, doch sachgerecht behandelt wurde.

„Ich weiß wirklich nicht, warum Du Dich so aufregst‘‘, bemerkte sie nüchtern: „Du kennst meine Arbeit und mich doch lange genug.“

„Marie ich bitte Dich! Es macht einen gewaltigen Unterschied von Deiner Arbeit nur zu reden, respektive von lebenden Personen Wachsabdrücke abzunehmen, als sich mit verwesenden Leichenteilen zu befassen!“

Tussaud musste sich zusammenreißen, um nicht augenblicklich aus dem Atelier zu flüchten.

Hätte er gewusst, an was Marie zurzeit arbeitete, er hätte die Werkstatt erst gar nicht betreten! „Ich verstehe überhaupt nicht wie Du auf einen so widerwärtigen Gedanken kommen konntest. Willst Du den Kopf etwa behalten?“

„Natürlich nicht. Nach getaner Arbeit werde ich ihn wieder zum Friedhof zurückbringen. Da Du jedoch kein Verständnis für mein Anliegen und diese Arbeit aufbringst, ist es mir lästig Dir weitere Erklärungen abzugeben. Ich bitte Dich daher mich alleine zu lassen und nicht weiter zu stören!“


Zur Bestellung

ISBN 978-2-9199603-6-1

Madame Tussaud – Die ersten Jahre
372 Seiten, Paperback – 14,90 Euro inkl. Mehrwertsteuer zzgl. Porto

Porto für Sendungen nach Deutschland: 2,50 Euro
Porto für Sendungen nach Luxembourg: 4,80 Euro
Porto für Sendungen restliches Europa inkl. Schweiz als „Economy“: 6,30 Euro